Wie genau läuft so eine Auszeitwoche ab?
Katharina Rüther: Schon im Vorfeld wird der Besuch genau geplant, mit einem umfangreichen Anmeldebogen mit genauen Informationen zu besonderen Bedürfnissen und Informationen, insbesondere zu unserem demenziell veränderten Gast. Um schnell ein gutes Vertrauensverhältnis aufbauen zu können, brauchen die Betreuenden Informationen zu Bezugspersonen, zum Beruf, auch zu den Dont’s: Was sollten wir auf keinen Fall ansprechen?
Wir haben viele barrierefreie Zimmer, die werden so verteilt, dass die nötige Ausstattung vorgehalten werden kann. Die Paare – gerne auch mit ihren Haustieren – sind fünf Nächte bei uns. Ein wichtiges Augenmerk liegt auf den pflegenden Angehörigen: Die sollen sich erholen dürfen, zur Ruhe kommen, sollen auch fachliche Impulse zum Thema Demenz bekommen. Ein gesundheitsförderndes Angebot planen wir im Vorfeld. Sehr beliebt sind Yoga, Aromamassagen und Ausflüge und Wanderungen in die wunderschöne Landschaft. Bildungsimpulse Unsere Gäste sollen in der kurzen Zeit bei uns möglichst viel Entlastung erleben, ihre Stärke finden – und vielleicht auch herausfinden, was sie im oft schwierigen Alltag stärken kann.
Die dementen Gäste sind zweieinhalb Stunden vormittags und dreieinhalb Stunden am Nachmittag in betreuten Gruppen, je nach Bedarf mit 2:1 oder 1:1-Betreuung. Alle Ehrenamtlichen machen vorab die Alltagsbegleiterschulung nach §345 SGBL, um optimal qualifiziert zu sein. Sie bieten kreative Angebote an, viel Spielen, Sprichwörter zitieren, Singen, Lachen, Spaziergänge und Zeit an der frischen Luft, kurze anschauliche Impulsvorträge zu alltagsnahen Themen. Wir orientieren uns an den Biografien der Gäste, um alle dort abzuholen, wo sie stehen! Dazu kommen gemeinsame Rituale wie ein Lied am Morgen, Kaffee und Kuchen, ein Tagesabschluss in der Gruppe.
Wichtig ist uns auch das gemeinsame Programm mit allen: es geht nicht darum, möglichst viel Zeit getrennt zu sein, sondern auch miteinander eine schöne Zeit jenseits des Betreuungs- und Pflegealltags daheim zu erleben: Gemeinsames Frühstück und Mittagspausen, abends musikalische Angebote mit Wein.
Bekommen Sie Rückmeldungen?
Katharina Rüther: Oft bekommen wir danach Berichte, dass die Woche lange nachwirkt, dass die Paare – sofern das noch geht – gerne miteinander über die Woche sprechen. Um schöne Erinnerungen mit nach Hause nehmen zu können, macht eine Fotografin Paarbilder.
Die gesundheitsfördernden Themen wie Yoga oder autogenes Training werden oft zu Hause weiter gemacht. Sicher fallen die Paare beim Umgang miteinander teils wieder in den alten Trott, aber wir können ihnen pflegerische Hilfen geben, Anstöße und Beratung zu Pflegehilfsmitteln und Hilfen im Alltag. An fünf gemeinsamen Abenden und bei vielen Tagesaktionen lernen sich die Gäste gut kennen. Meist bleiben sie auch im Anschluss in engem Kontakt, was uns natürlich besonders freut. Einige Gruppen melden sich gleich wieder gemeinsam für eine Auszeit bei uns an!
Sie sind bis Ende des Jahres ausgebucht – denken Sie über einen Ausbau der Angebote nach?
Katharina Rüther: Die Idee steht natürlich im Raum, aber dieses Angebot ist personell extrem aufwändig und wir sind personell begrenzt. So viele Ehrenamtliche unterstützen uns schon heute, ohne die wäre das unmöglich! Wir sind in der Arbeit sehr gut in der Region vernetzt, haben eine wunderbare Kooperation mit dem Bürgerverein am Lech e. V. – die bilden die ehrenamtlichen Alltagsbegleitungen aus, von dort kommen unsere Ehrenamtlichen und die Beraterin. Die Ökumenische Sozialstation Oberland sendet uns bei Bedarf Pflegeunterstützung. Finanziell ermöglicht die Otto und Therese Stumpf Stiftung dieses Angebot. Für all diese Hilfe sind wir sehr dankbar!
Geeint im Thema Demenz?
Katharina Rüther: Eine der großen Stärken dieser Wochen ist die Möglichkeit zu Gespräch und Austausch. Die Diagnose Demenz bedeutet sehr oft sozialen Rückzug nicht nur der erkrankten Person: Auch den pflegenden Angehörigen bleibt oft wenig Zeit und Kraft für eigene Themen.
Viele alte Freunde und Bekannte ziehen sich zurück. Hier ist Aufklärung so wichtig – gegen die Beklemmung und Angst, die das Thema Demenz oft auslöst. Bei einer alternden Gesellschaft betrifft das Thema Demenz am Ende jeden irgendwann irgendwie. Mich freut es sehr, dass in letzter Zeit immer mehr Betroffene sich trauen, bewusst an die Öffentlichkeit zu gehen mit ihrer Geschichte. Je mehr Artikel von Betroffenen man liest, desto größer wird das Verständnis, desto kleiner die Berührungsängste.
Thema Angst und Demenz?
Katharina Rüther: Das große Angst-Thema bei Demenz ist das Vergessen. Darunter leiden auch viele Angehörige sehr, spätestens wenn sie selbst nicht mehr erkannt werden. Wenn sich Kranke in einer anderen Zeit befinden, wird die Ehefrau teils als Mutter oder Schwester gesehen. Das macht natürlich Angst, dass sich die Beziehung so sehr verändert. Der Weg in die Beratung wird oft viel zu spät gesucht: Es ändert sich ja nicht alles von jetzt auf gleich – Menschen haben einen Krankheitsverlauf, manche leben 10 Jahre mit einer Demenz. Viele kommen erst mit dem Antrag auf eine Pflegestufe in die Beratungsstellen – dabei wäre es so gut, schon bei frühen Anzeichen Hilfe zu suchen! Wobei nach unserer Erfahrung die Menschen, die selbst aktiv Angst haben, eine Demenz zu entwickeln, weil sie so oft ihre Schlüssel verlegen, eigentlich nie betroffen sind: Wir hatten zum bayrischen Demenztag ein Screening angeboten: Von den 20 Getesteten hatte niemand Anzeichen einer Demenz!
Ist Glaube ein großes Thema bei Ihren Kursen?
Katharina Rüther: Als Haus der Diakonie haben wir viele Gäste, denen Glaube etwas bedeutet. Unser geschäftsführender Vorstand ist Pfarrer, wir bieten spirituelle Angebote in der Hauskapelle. Manche Gäste finden Trost im Glauben oder in Glaubenssätzen, andere haben einen Spruch, der Ihnen Kraft gibt. Jeder hat seine Techniken, um mit der Krankheit eines geliebten Menschen umzugehen: Wichtig ist es einen Halt zu haben, an dem man sich hochziehen kann.
Die fünf Nächte kosten für 2 Erwachsene inklusive Mahlzeiten 1050,-€, die zusätzlichen Kosten für die betreute Gruppe werden über Verhinderungspflege oder Entlastungspflege von der Pflegekasse übernommen. Auch die Unterbringungskosten für die Kranken können ggf. übernommen werden.
Die Bildungs- und Erholungsstätte Langau ist Gewinnerin des Bayerischen Innovationspreises Ehrenamt 2024. Im Preisträgerfilm wird die Einrichtung vorgestellt.